Diplom Pädagogin
Unser Beckenboden ist eigentlich eine starke Muskelgruppe, bestehend aus drei Muskelschichten, die das Becken auskleiden, und hat sehr wichtige Aufgaben. Er hält die zentralen Organe in Position, also die Gebärmutter, die Blase und weitere Organe des Unterleibs. Außerdem unterstützt er die Schließmuskulatur von After und auch Harnröhre.
Wenn wir von einer starken Muskelgruppe sprechen, so ist eher eine Muskelplatte gemeint, die den Bauchraum und die Beckenorgane von unten abschließt. Wir können uns diese Platte vereinfacht als ein gespanntes Tuch vorstellen. Es erstreckt sich vorne vom Schambein bis hinten zum Kreuz- und Steißbein und seitlich setzt es an den Sitzhöckern an.
Unser Beckenboden hat drei Hauptfunktionen: 1. Anspannen, 2. Entspannen, 3. Anspannung als eine Reaktion auf eine Druckerhöhung im Bauchraum.
Bei der Anspannung geht es um die Sicherung der Kontinenz bei Frauen und bei Männern. Die Beckenbodenmuskulatur unterstützt dabei die Harnröhre, die Schließmuskulatur der Harnblase und des Anus.
Bei der Entspannung geht es vornehmlich um die Entspannung beim Wasserlassen und bei der Darmentleerung. Bei der Frau entspannt sich der Beckenboden beim Geschlechtsverkehr und bei der Geburt, beim Mann bei einer Erektion.
Die reflektorische Anspannung hingegen ist wichtig beim Husten, Niesen, beim Tragen schwerer Lasten sowie beim Lachen und Hopsen.
Auch unsere Körperhaltung und die Atmung werden vom Beckenboden beeinflusst und die Körpermitte wird stabilisiert. So ist es denkbar, dass auch Rückenschmerzen einem schwachen Beckenboden zugeordnet werden können. Dieser Zusammenhang geht in beide Richtungen: Rückenprobleme können sich negativ auf den Beckenboden auswirken und andersherum kann der Beckenboden Auslöser für Rückenschmerzen werden.
So wird es nachvollziehbar, dass ein gesunder Beckenboden ganz zu Recht als Energiezentrum unseres Körpers bezeichnet wird.
Eine schlechte Haltung durch viel Sitzen, starkes Übergewicht, Menopause, häufige Verstopfung, Schwangerschaft und Geburt sowie jahrelange körperlich schwere Arbeit und belastende Sportarten können den Beckenboden schwächen und belasten. Ebenso können chronischer Husten, Rauchen, Diabetes und schließlich die genetische Disposition den Beckenboden zusätzlich belasten.
Wenn eine Frau ein Baby bekommt, ist das auch für ihren Beckenboden eine besondere Situation. Er ist einer extremen Belastung ausgesetzt und ein spezielles Training bereits vor und nach der Geburt ist unbedingt anzuraten. Aber wie ist es richtig? In der Literatur findet man genauso viele Meinungen für wie auch gegen ein Beckenbodentraining in der Schwangerschaft. Bedenken, dass eine zu starke Beckenbodenmuskulatur bei der Geburt sowohl dem Kind als auch der Mutter schaden könnte, werden geäußert. Andererseits ist der Beckenboden während der Schwangerschaft einer großen Belastung ausgesetzt und sowohl Inkontinenz als auch Senkungsbeschwerden sind in der Schwangerschaft nicht selten. Also was tun? Die Antwort ist gar nicht so schwer, wir brauchen beides und das nicht nur in der Schwangerschaft. Im besten Falle ist der Beckenboden sowohl stark als auch flexibel und beweglich. Weder verspannt noch schwach ist wünschenswert. Die gesunde Balance aus Anspannung und Entspannung, Kraft und Beweglichkeit ist also gefragt, wie so oft im Leben. Ist der Beckenboden sehr stark oder sehr verspannt, macht es Sinn, die Wahrnehmung des Beckenbodens und die Fähigkeit zur Entspannung zu erlernen und zu trainieren. Tatsächlich ist ein starker Beckenboden, der bewusst wahrgenommen, angesteuert und entspannt werden kann, optimal. Hilfe finden wir bei Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten mit dem Schwerpunkt Beckenbodentherapie.
Jede dritte Frau ist von den Auswirkungen eines schwachen Beckenbodens betroffen und bei Frauen nach der Geburt sind es sogar 80 Prozent. Bis zu 50 Prozent der Frauen, die Kinder geboren haben, entwickeln eine Senkung der Beckenorgane und sogar 11 Prozent benötigen eine Operation. Im Allgemeinen wird die Geburt für eine Beckenbodenschwäche und den Verlust der Blasenkontrolle gesehen. Das stimmt so jedoch nicht wirklich. Eine Schwäche können Frauen jeden Alters entwickeln, ob sie Kinder geboren haben oder nicht, ob vor oder nach der Menopause. Fast 50 Prozent aller Frauen in der Postmenopause sind von einer Stress- oder auch Belastungsinkontinenz betroffen. Bei dieser Form der Inkontinenz handelt es sich um physikalischen Druck, der z. B. durch Niesen oder Husten auf die Harnblase ausgeübt wird. Hierbei kann sowohl ein schwacher Beckenboden als auch eine hormonell bedingte Schwäche der Harnröhre für die Inkontinenz verantwortlich sein.
Häufig gehen Frauen nicht zum Arzt, weil sie die Symptome als unnormal empfinden oder aus Schamgefühl. Dabei ist Beckenbodentraining in anderen Kulturen seit langer Zeit durchaus Bestandteil der Gesundheitspflege. Im indischen Yoga werden Beckenbodenübungen lange vor Christus schriftlich erwähnt und als Energiequelle für einen starken und gesunden Körper gesehen. Auch heute noch lernen indische Frauen Beckenbodenübungen von ihren Müttern. Ein gesunder Intimbereich gehört dort zum Alltag und es wird Zeit dieses Thema auch in westlichen Ländern in den Alltag zu integrieren.
Die Übungen zur Stärkung und Entspannung des Beckenbodens sind vielfältig und viele davon sind sowohl für Frauen als auch für Männer geeignet. Eine große Schwierigkeit besteht jedoch in der Wahrnehmung des Beckenbodens. Viele Menschen finden das Beckenbodentraining anfangs schwierig, weil es sich um Muskeln handelt, die man nicht sieht, und die bewusste Aktivierung manchmal schwerfällt. Daher ist es wichtig, den Beckenboden vorerst spüren zu können. Ein Beckenbodentraining umfasst verschiedene Übungen, die wenige Minuten dauern und ein- bis dreimal täglich wiederholt werden. Nach vorheriger Abstimmung mit der Ärztin oder dem Arzt kann die Physiotherapeutin oder der Physiotherapeut bei der Bestimmung individueller Übungen helfen. Doch auch im Alltag können wir mit kleinen Maßnahmen dazu beitragen, den Beckenboden nicht übermäßig zu beanspruchen. Beim Aufstehen aus der liegenden Position können wir unnötigen Druck vermeiden, indem wir über die Seite rückenfreundlich hochkommen. Auch ein gekrümmter Rücken vermindert die Spannung der Beckenbodenmuskulatur und übt Druck aus. Wenn wir uns beim Sitzen und Gehen aufrecht halten, vermindern wir diesen Druck. Auch beim Heben können wir darauf achten, dass wir in die Knie gehen und aus dem geraden Rücken mithilfe der Beinmuskeln heben, die Gegenstände nahe am Körper halten und möglichst den Beckenboden dabei anspannen. Beim Husten oder Niesen erhöht sich plötzlich der Druck im Bauch und der Körper beugt sich vornüber. Damit der Druck nicht so hoch wird, hilft es, mit geradem Oberkörper dabei nach oben oder über die Schulter zu schauen.
Ein Beckenbodentraining kann Beschwerden lindern und eventuell vor stärkeren Absenkungen schützen. Die Wirkung des Trainings kann schon nach einigen Wochen spürbar sein, ist jedoch nicht bei allen Frauen erfolgreich. Damit die Übungen wirken, sollte regelmäßig trainiert werden.
Wie so oft ist Vorbeugen besser als Heilen und präventiv mit dem Training zu beginnen, ist perfekt.